Aus der Ansprache zur Gemeinschaftsausstellung In Gärten:
. . . jäten -- jäten -- jäten -- jäten -- jäten!
Einst aus dem Paradies vertrieben, wünscht sich der Mensch dorthin zurück. Dafür ackert er in seinem Garten, arrangiert sich oder stellt sich gegen die Kräfte der Natur. Diese lassen wachsen und welken, blühen, duften und reifen, vertrocknen, erfrieren, faulen und verwesen, sie suchen sich Nischen für unkontrolliertes Wachstum oder lassen nichts gedeihen.
Und doch gilt der Garten als Ort der Entspannung und geistigen Erholung – und es wird nicht wenig Geld ausgegeben für ein noch so kleines persönliches Paradies.
Jeder Garten ist auf seine Weise eine Widerspiegelung des Paradieses, auch dann, wenn der Garten vom jeweiligen Angebot der Gartencenter geprägt ist oder sich durch den konkurrierenden Blick in das Nachbargrundstück ergeben hat.
Als Wiege der Gartenkultur gilt Mesopotamien, das Land der Sumerer zwischen den Strömen Euphrat und Tigris. Das sumerische Wort „Edin“ bedeutet bewässerungsfähiges Land.
Bei der Niederschrift der biblischen Schöpfungsgeschichte wird der Garten Eden nicht nur im Zweistromland situiert, auch die jüdische Zeitrechnung beginnt in der Epoche, in der die Sumerer das Zweistromland fruchtbar machten.
Seither ist das Paradies – der Garten Eden der Bibel - als Sehnsuchtsort fest in uns verankert. Alle Gartenanlagen späterer Zeiten beschwören diese Fantasie und wurden als irdische Paradiese erlebt.
Paradies – Garten Eden – Menschheitsgarten – Garten der Kindheit –
Viele von uns hatten das Glück, im behüteten Raum des Gartens die ersten Schritte erproben zu können - wie in einem idealen Modell. Erst hinter der Gartenhecke, hinter dem Gartenzaun, begann die Welt.
Wir wurden nicht aus dem Garten der Kindheit vertrieben, wie die biblischen Ahnen Adam und Eva aus dem Paradies – uns trieb es selbst hinaus.
Wir wollten erleben, was hinter dem Zaun lag und eroberten die Welt – jeder seine eigene für sich. –
Das Wort Garten und die damit gemeinten Bedeutungsinhalte wurden schon in den Anfängen unserer Kultur mitgenommen, übertragen und in Zusammenhänge integriert, die uns heute erst bei genauerem Hinsehen wieder deutlich werden.
Garten vom althochdeutschen „garto“ stammend, und dieses vom indogermanischen „ghorto“, bezeichnet Flechtwerk, Zaun, Eingehegtes. Der Garten ist ein umzäuntes, geschütztes Areal.
Umzäunt, geschützt wie der Garten war auch die Stadt. In den slawischen Sprachen heißt Stadt „gorod“. In den skandinavischen Sprachen ist „gård“ der Hof.
„Gorod“, „gård“, „Garten“, „garden“, „giardino“, „jardin“ – es ist derselbe Wortstamm, der diesen Wörtern zugrunde liegt. Ebenfalls verwandt ist das englische „yard“, ein Flächenmaß. Mit dem deutschen Wort „Zaun“ ist das niederländische „tuin“ verwandt, das den gesamten Garten bezeichnet. Das damit verwandte Wort im Englischen ist „town“ – es bezeichnet die Stadt.
Solange es Städte gibt, gibt es Gärten.
Die Römer brachten die Gartenkultur in unsere Gegend. In und vor den mittelalterlichen Städten, innerhalb der Klosteranlagen, der Burgmauern und vor Schlössern wurden Gärten angelegt – mit Kräutern, Obstbäumen und Blumen.
Der dörfliche Garten, der allgemein für besonders ursprünglich angesehene sog. Bauerngarten, hat dagegen eine relativ junge Tradition.
In Gärten –
der Anstoß für dieses Projekt war eine Abbildung in einem Ausstellungskatalog: ein kleines, hölzernes Gartenmodell, das etwa 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung einem verstorbenen Ägypter mit ins Grab gelegt worden war. Das Modell eines Gartens – als eine Verheißung des ewigen Gartens. –
Garten – das Wort löst in uns eine Fülle persönlicher Erinnerungen und Assoziationen aus, die vom kulturellen Gedächtnis mitgeprägt werden.
Daraus können sich künstlerische Impulse zu unterschiedlichen Gestaltungen verdichten: zu Objekten und Installationen, zu Malerei, zu Fotoarbeiten, zu Geräusch-, Klang- und Sprachkompositionen, zu Aktionskunst, zu vielem anderen. –
In Gärten!
Keine Kunstgärten, Gartengestaltungen oder Neuanlagen, sondern Objekte, Installationen, Bilder, Klänge, Wörter – die sich in Gärten integrieren oder konfrontieren, die den Garten reflektieren, Akzente setzen oder ironisch kommentieren, die fragwürdig machen und dem gewohnten Blick eine Brechung geben, die einen Traum, bisher Ungesehenes oder Verborgenes sichtbar werden lassen, die den Garten zum Ort blühender Fantasien machen.